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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 14.05.2007
Aktenzeichen: 2 Ta 646/06
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 22.08.2006 - 3 Ca 957/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Gründe:

I

Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug über die Zulässigkeit des Rechtsweges.

Der Kläger war bei der Beklagten aufgrund einer "Vereinbarung über Vertrieb und Projekttätigkeit" vom 11.04.2005 als "Business Executive Manager" tätig. Ihm oblag die Leitung des Vertriebes für das Produkt R2x und den damit zusammenhängenden Dienstleistungen. Die Parteien vereinbarten ein monatliches Festgehalt von 6.600,00 € zuzüglich 15 % Vertriebsprovision.

Die Beklagte kündigte die Vereinbarung mit Schreiben vom 18.04.2006 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.06.2006 oder zum nächst möglichen Termin. Dagegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden am 05.05.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Er meint, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis bestanden. Die Kündigung sei gemäß § 1 KSchG rechtsunwirksam. Er bestreite die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats.

Der Kläger will feststellen lassen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten weder fristlos noch fristgemäß beendet worden ist.

Demgegenüber vertritt die Beklagte den Standpunkt, der Kläger sei für sie als freier Handelsvertreter tätig geworden. Die von ihm geschuldete Tätigkeit, nämlich die Herbeiführung abschlussreifer Verträge mit ggfls. weiteren Dienstleistungen, habe der Kläger selbständig und ohne begleitendes Weisungsrecht bei freier Arbeitszeitgestaltung ausgeübt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten durch Beschluss vom 22.08.2006 für zulässig erklärt mit der Begründung, da der Kläger geltend mache, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, handele es sich um einen sog. sic-non-Fall im Sinne der Rechtsprechung des BAG. Deshalb reiche für die Begründung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten allein die Behauptung des Klägers aus, Arbeitnehmer der Beklagten gewesen zu sein. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen, der der Beklagten am 31.08.2006 zugestellt worden ist.

Mit ihrer am 14.09.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen

sofortige Beschwerde,

der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat, will die Beklagte eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses und die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Münster erreichen.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt sie vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht einen sic-non-Fall unterstellt. Da sich der Kläger mit dem Antrag zu 1) gegen die fristlose Kündigung vom 18.04.2006 wende, habe er den Streitgegenstand nicht auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses beschränkt. Auch die Wirksamkeit der weiterhin vom Kläger angegriffenen ordentlichen Kündigung hänge nicht allein von der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes und seiner Arbeitnehmerstellung ab. Bei wie hier unstreitiger Tatsachengrundlage sei im Rahmen der Zulässigkeit des Rechtsweges über den Charakter des Rechtsverhältnisses zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt:

1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 25.08.2006 - 3 Ca 927/06 - wird abgeändert.

2. Der Rechtsstreit wird, soweit das Arbeitsgericht über die Anträge zu 1) und 2) entschieden hat, an das Landgericht Münster verwiesen.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

Er verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss und tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien im Beschwerderechtszug wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II

Die gemäß den §§ 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG, 48, 78 Satz 1 ArbGG, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten bleibt erfolglos. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen festgestellt.

1. Dem Arbeitsgericht ist zu folgen, dass aufgrund der Antragstellung ein sic-non-Fall im Sinne der Rechtsprechung des BAG vorliegt. Der Kläger will ausdrücklich feststellen lassen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, welches durch die Kündigung der Beklagten vom 18.04.2006 weder fristlos noch fristgemäß beendet worden ist. Ein Erfolg dieser Anträge setzt nach der punktuellen Streitgegenstandstheorie voraus, dass die Vertragsbeziehungen der Parteien als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sind. Dieses Verständnis seiner Klageanträge hat der Kläger im Beschwerderechtszug ausdrücklich klargestellt und bekräftigt. Die Klärung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses obliegt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 b ArbGG den Arbeitsgerichten und nicht den ordentlichen Gerichten. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ist nach dem Klageantrag und der Klagebegründung eine qualifizierte Sachurteilsvoraussetzung, von der gleichermaßen die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte als auch die Begründetheit der Klage abhängen. In diesem Fall genügt für die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten allein die Behauptung, es habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, ohne dass im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung entschieden werden muss, ob der Kläger Arbeitnehmer oder selbständiger Handelsvertreter war (BAG vom 19.12.2000 - 5 AZB 16/00, NZA 2001, 285 und vom 17.01.2001 - 5 AZB 18/00, NZA 2001, 341). Dies gilt auch für den Fall einer fristlosen Kündigung, wenn sie wie hier vom Status eines Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht wird (BAG vom 17.01.2001 - 5 AZB 18/00 unter II 2 c der Gründe, NZA 2001, 341).

2. Die Befürchtung der Beklagten, die Arbeitsgerichte müssten nach dieser Auffassung auch über die Kündigung des ihrer Meinung nach bestehenden Handelsvertreterverhältnisses entscheiden, ist unbegründet. Zwar entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Dies gilt aber nur bei einem gemischten Rechtsverhältnis, bei dem der Anspruch auf mehrere Klagegründe gestützt wird. In diesem Fall ist das Gericht nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet, über alle Klagegründe mit zu entscheiden, auch wenn dafür bei isolierter Geltendmachung ein anderer Rechtsweg gegeben wäre (Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl., § 17 Rdnr. 49). Vorliegend hat der Kläger ausdrücklich gemäß § 253 Abs. 1 Nr. 2 ZPO einen ausschließlich arbeitsgerichtlichen Streitgegenstand bestimmt. Allerdings ist bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 263 ZPO eine Änderung des Streitgegenstandes möglich. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG ist bezüglich der Zulässigkeit des Rechtsweges auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Klage rechthängig geworden ist. Wird der Streitgegenstand im Laufe des Prozesses geändert, kann nachträglich der Rechtsweg unzulässig werden (so ausdrücklich BAG vom 29.11.2006 - 5 AZB 47/06 n.v.; Zöller/Gummer, ZPO, 25 Aufl., § 17 GVG Rdnr. 1). Sollte der Kläger daher im Laufe des Rechtsstreits den Klageantrag ändern und auch eine Entscheidung über die Kündigung des nach Meinung der Beklagten bestandenen Handelsvertreterverhältnisses herbeiführen wollen, muss insoweit erneut über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges befunden werden (so ausdrücklich BAG vom 17.01.2001 - 5 AZB 18/00 unter II 2 e der Gründe, NZA 2001, 341).

II

Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Ende der Entscheidung

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